Kinderhilfe Eritrea

Informationen zur Weiblichen Genitalbeschneidung (FGC) in Eritrea

Weibliche Genitalbeschneidung wird in mindestens 28 Staaten der Welt praktiziert, darunter Ost-, Nord- und Westafrika sowie einige Staaten des Nahen Ostens und Südostasiens. Dabei werden z.T. schon bald nach der Geburt, spätestens aber zum Beginn der Pubertät die äußeren Geschlechtsorgane von Mädchen in unterschiedlichem Grad entfernt. Im internationalen Sprachgebrauch wird die Praxis Female Genital Mutilation (FGM) oder Female Genital Cutting (FGC) genannt. „Mutilation“, zu deutsch: „Verstümmelung“ soll das Grausame des Vorgehens und die Verletzung weiblicher Rechte betonen, wird aber von betroffenen Frauen eher zurückgewiesen als der Begriff „Cutting“, d.h. Beschneidung. Wir werden hier im Folgenden von FGC sprechen.

In Eritrea werden drei Formen von FGC praktiziert:

  • Circumcision, d.h. ganze oder teilweise Entfernung der Klitoris;
  • Excision, d.h. Beschneiden der kleinen Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der Klitoris;
  • Infibulation, d.h. Vernähen, oft vorher auch Beschneiden der großen Schamlippen, so dass nur eine kleine Öffnung für Urin und Menstruation bleibt. Zusätzlich können Klitoris und kleine Schamlippen beschnitten werden.

Die verschiedenen Beschneidungsformen sind in den Regionen und Volksgruppen Eritreas unterschiedlich verbreitet. Bei den Bilen, zu denen die Bevölkerung von Doroq gehört, wird die Infibulation praktiziert. Dabei berufen sich die Menschen nicht auf eine religiöse Vorschrift (die Bilen sind ca. zur Hälfte christlich, zur Hälfte muslimisch), sondern auf die Tradition ihrer Vorfahren.

2007 hat die eritreische Regierung die weibliche Genitalbeschneidung verboten. Auch vorher, seit der Staatsgründung 1993, gab es zahlreiche Kampagnen gegen FGC von  Seiten des Gesundheitsministeriums; in der Elternarbeit von Kindergärten und Grundschulen soll das Thema behandelt werden. Laut nationaler Statistik ging der Anteil beschnittener Frauen von 1995 bis 2002 von 94,5 auf 88,7 % zurück. Die deutsch-eritreische Ärztin Fana Asefaw kam in einer eigenen Befragung von 420 Eritreerinnen zu dem Schluss, dass im städtischen Milieu und in der jüngeren Generation die Zahl beschnittener Frauen deutlich geringer ist, dass aber FGC trotz aller Kampagnen bei der Mehrheit der Bevölkerung, die auf dem Land lebt, einen positiven Ruf genießt.

Worku Zerai, die Moderatorin des Projekts in Doroq, hat selbst vor ca. 10 Jahren eine Befragung verschiedener Volksgruppen durchgeführt. Sie ermittelte über 80 % beschnittene Frauen, geht aber zusätzlich von einer Dunkelziffer an Frauen aus, die nicht darüber sprechen wollten oder nicht einmal wissen, dass sie beschnitten wurden, weil die Prozedur in frühester Kindheit stattfand und es ein Tabu ist, darüber zu sprechen.

Dieses Tabu macht nicht nur die Aufklärung schwierig, es verhindert auch, dass die Frauen sich austauschen und spätere Folgen überhaupt mit der Genitalbeschneidung in Verbindung bringen. Kurz- und langfristige Folgen entstehen vor allem bei der Infibulation: Das Anstauen von Harn und Menstruationsblut begünstigt Infektionen von Nieren und Harnwegen. Infektionen im Genitalbereich, Verletzungen von Blutgefäßen und Nerven können in Folge aller Beschneidungsformen auftreten und z.B. Inkontinenz und dadurch bedingte soziale Isolation bewirken. Gravierend sind auch die Folgen für Mutter und Kind bei Geburten, denn infibulierte Frauen müssen aufgeschnitten werden, damit das Kind den Mutterleib verlassen kann, sind aber auf dem Land nicht selten zu weit von einer entsprechenden Geburtshilfe entfernt. Der verlängerte Sauerstoffmangel im Geburtskanal kann zu Schwerstbehinderungen und sogar zum Tod von Kindern führen, wie uns eine ehemalige Hebamme und Beschneiderin in Dorok erschüttert schilderte. Sie trauert um diese Kinder.



Poster aus einem Handbuch für Elternbildung des Early Childhood Development Program


Weiterführende Literatur: Fana Asefaw, Weibliche Genitalbeschneidung. Hintergründe, gesundheitliche Folgen und nachhaltige Prävention. Aktualisierte 2. Auflage Boox-Verlag 2017.